In: Sozialpädagogik Nr. 1/2002: 18-24

 

Internationaler Terrorismus und Jugendgewalt – ein Vergleich von zwei scheinbar unvergleichbaren Phänomenen

 

Die Gesellschaft reagiert auf Gewaltakte von Terroristen und Jugendlichen ähnlich fassungslos. Sucht man nach Gründen für diese scheinbar unverständlichen physischen Aggressionen gegen Menschen und Sachen, stösst man auf bemerkenswerte Parallelen zwischen den beiden Phänomenen.

 

Martin Hafen

Martin Hafen, Basel, Soziologe, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule für Soziale Arbeit Luzern, Fachbereich Prävention. Der Text basiert auf einem Vortrag, den der Autor am 25.10.01 anlässlich der Projektwoche „Finito – Halt der Gewalt“ in der Gemeinde Emmenbrücke hielt.

 

Was hat der Tod von 5'000 unschuldigen Menschen in New York, mit einem Schüler zu tun, der auf dem Weg zur Schule von einer Gruppe Gleichaltriger zusammengeschlagen wird? Was haben ein Briefumschlag mit Milzbrandbakterien und ein gezücktes Schmetterlingsmesser gemeinsam? Was verbindet einen zerfetzten Bus in Israel mit einer verschmierten Häuserfassade oder einer zerstörten Telefonkabine? Wenig, möchte man auf den ersten Blick sagen. Doch beschränken sie die Ähnlichkeiten der geschilderten Vorfälle wirklich nur darauf, dass es sich um Gewaltakte handelt? Gibt es nicht auch gemeinsame Erklärungen für diese scheinbar sinnlosen Gewaltakte? Und wenn es solche Gemeinsamkeiten gibt: sind dann nicht auch Massnahmen vergleichbar, mit denen die Gesellschaft auf die zerstörerische und Angst machende Gewalt reagiert oder reagieren könnte?

Die folgende theoriegeleitete[1] und vergleichende Analyse der medienwirksamen Phänomene ‚Terrorismus’ und ‚Jugendgewalt’ soll dazu beitragen, diese Fragen zu beantworten. Sie soll weiter das Bewusstsein dafür wecken, dass sich weder Terrorismus noch Jugendgewalt schicksalshaft ereignen, sondern dass sie wie alle Gewaltakte Teil und Folge der gesellschaftlichen Entwicklung sind und nicht isoliert von dieser beobachtet werden können.

 

Gewalt und Macht

 

Will man physische Gewalt definieren, so legt die soziologische und philosophische Literatur nahe, diese Definition mit Rückgriff auf den Begriff der Macht vorzunehmen. Der deutsche Soziologe Niklas Luhmann[2] versteht Macht nicht nur als ein Mittel, das jemand einsetzen kann, um bei einer andern Person gegen deren Willen bestimmte Handlungen zu bewirken. Er konzipiert Macht nicht vom Menschen, sondern von der Kommunikation her, indem er sie als Medium definiert, welches die Wahrscheinlichkeit der Annahme einer Kommunikation erhöhen soll. Macht wird aus dieser Perspektive also nicht ausschliesslich an den Machthaber gebunden; vielmehr kann von Macht erst die Rede sein, wenn der Machtunterworfene Kommunikation als machtvolle Kommunikation wahrnimmt und entsprechend reagiert.

Physische Gewalt wird von Luhmann als „symbiotischer Mechanismus“ von Macht verstanden. Gewalt fungiert nach diesem Modell wie ein letzter Bezugspunkt von Macht; sie ist das ultimative Sanktionsmittel, wenn die Symbolik der Macht nicht wirkt, wenn der „Machtunterworfene“ nicht handelt, wie man ihm befiehlt.

Hier kommt ein paradoxer Aspekt der Beziehung von Macht und Gewalt zum Ausdruck: Der Einsatz von physischer Gewalt weist einerseits auf Machtlosigkeit hin, da die Symbolkraft der Macht nicht ausgereicht hat, um die erwünschten Handlungen zu bewirken oder unerwünschte zu vermeiden. Andererseits verstärkt physische Gewalt die Symbolik der Macht, da sich diese – explizit oder implizit – auf die erfolgte Gewalt beziehen und im Falle von ausbleibender Machtunterwerfung weitere Gewaltakte in Aussicht stellen kann. Dieser Verstärkungseffekt verliert sich jedoch, wenn die Gewalt immer wieder eingesetzt werden muss, um die gewünschten Handlungen zu erreichen.

 

Kommunikative Aspekte von Terrorismus ...

 

Je nach Perspektive hat der Einsatz von physischer Gewalt also immer gleichzeitig Aspekte von Machtlosigkeit und Machtfülle, von Ohnmacht und Potenz an sich. Dies deutet darauf hin, dass Gewalt in der Regel nicht ausschliesslich als blindwütiges Zerstören oder bedingungsloses Durchsetzen von sozialen Regeln auftritt. Vielmehr umfasst sie – freilich sprachlos – auch kommunikative Aspekte. Diese kommunikative Komponente der Gewalt zeigt sich etwa an den Zielen, welche bei den Terrorattacken von September ins Visier genommen wurden. Das World Trade Center, das Pentagon und das Weisse Haus wurden offensichtlich nicht (nur) gewählt, weil sie sich besonders gut dafür eigneten, möglichst viele Menschen zu töten, sondern weil sie aus Sicht der Terroristen Symbole der westlichen Welt darstellen. Die Anschläge waren demnach nicht nur Akte von kaum vorstellbarer physischer Zerstörung, sondern auch Akte der Kommunikation. Sie symbolisierten den Kampf gegen die gegenwärtige Wirtschaftsordnung, gegen die politische und militärische Macht, welche diese Ordnung stützt, und sie symbolisierten die eigene Macht resp. die Machtlosigkeit der Amerikaner. Auf der andern Seite kommt bei den Anschlägen auch Ohnmacht und Verzweiflung zum Ausdruck: Das Erreichen einer – aus der Sicht der Terroristen – besseren Welt, scheint nur noch durch physische Zerstörung möglich – Zerstörung, die sogar das eigene Leben einschliesst.

 

... und von Jugendgewalt

 

Angesichts der gewaltigen Zerstörung und Angst, welche die Terrorakte bewirken, mag die Suche nach Parallelen bei der Jugendgewalt sonderbar anmuten. Und doch wäre es zu einfach, Jugendgewalt ausschliesslich als Folge von persönlichen Eigenheiten (Langeweile, Lust auf „action“) oder isolierten Einflüssen (z.B. Gewaltdarstellungen in den Medien) zu interpretieren. Auch Gewaltakte von Jugendlichen haben in der Regel kommunikative Aspekte. Offensichtlich wird die kommunikative Symbolik von jugendlichen Gewalttätigkeiten besonders dann, wenn diese organisationsähnlich auftreten – etwa in der Form von Protestbewegungen oder extremen politischen Bewegungen wie jener der Neonazis. In diesen Fällen erhalten – wie beim Terrorismus – nicht nur die Handlungen, sondern auch die Ziele der Gewalt Symbolkraft: die Fassaden der Banken, die Schaufenster der Konsumtempel, die Unterkünfte der Asyl Suchenden.

Doch auch nicht organisierte, spontan erscheinende Gewaltakte von Jugendlichen haben eine symbolische Komponente. Wenn Jugendliche einem Gleichaltrigen mit gezücktem Messer seine Lederjacke abnehmen oder ein Mädchen belästigen dann geht es nicht um die „geile Jacke“ oder darum, dass das Mädchen die Anmache „ja selber will“, wie gerne vorgegeben wird. Diese Gründe werden kommuniziert, um die Gewalt andern und vor allem sich selbst gegenüber zu „plausibilisieren“, ihr einen Sinn zu geben. Eigentlich steht eine andere Information hinter den Gewaltakten: In der Form von Faustschlägen, Bedrohungen mit einer Waffe oder sexuellen Übergriffen wird den Opfern, der Gesellschaft, sich selbst mitgeteilt: „Ich bin jemand. Ich habe Macht über andere. Mit mir kann man nicht machen, was man will. Ich bin der, der bestimmt, was läuft.“

 

Gründe für die Entmächtigung

 

Wenn wir davon ausgehen, dass es beim Terrorismus gegen die USA nur sehr beschränkt um die Erlangung oder Sicherung von Ressourcen wie Bodenschätzen oder Territorien geht, wie dies in einem „klassischen“ Krieg der Fall ist; wenn wir weiter voraussetzen, dass dies bei der Jugendgewalt nicht anders ist und dass es beim Erpressen einer Lederjacke genau so wenig um materiellen Besitz geht, wie bei der Vergewaltigung um sexuelle Befriedigung; wenn wir schliesslich vermuten, dass beide Gewaltformen nicht nur die Funktion haben, Macht zu generieren, sondern auch – und vor allem – Ausdruck von Machtlosigkeit sind, dann drängt sich die Frage auf, welches die Gründe für die Ohnmacht sind, welche diese auf den ersten Blick schwer verständlichen Gewaltakte bewirkt.

Wenden wir uns zur Beantwortung dieser Frage zuerst wieder jenem Terrorismus zu, der sich auf die islamische Religion beruft, seine (Eigen-)Legitimation aus ihr bezieht. Diese Ausprägung des Terrorismus ist für unsere Überlegungen neben seiner Aktualität vor allem interessant weil er nicht regional beschränkt ist, sondern global auftritt, quasi als terroristisches Gegenstück zur wirtschaftlichen.

Angesichts der ungleichen Verteilung von Eigentum und Macht mag es kaum erstaunen, dass es zu dieser relativ breit abgestützten, gut organisierten, mit beachtlichen logistischen Mitteln ausgestatteten terroristischen Bewegung gekommen ist: Wir leben bekanntlich in einer Welt, in der ein kleiner Anteil der Bevölkerung einen Grossteil der bestehenden Ressourcen besitzt resp. verbraucht. Das weit gehend unabhängig von Staatsgrenzen operierende Wirtschaftssystem hat in den letzten Jahrhunderten Strukturen herausgebildet, welche diese Besitzverhältnisse weiter polarisiert und räumlich von lokalen und regionalen zu globalen Ungleichheiten erweitert haben. Das politische System hat eine grosse Sensibilität für die Bedürfnisse der Wirtschaft entwickelt, so dass die weltweite Verteilung der politischen Entscheidungsmacht eine ähnliche Struktur aufweist wie die Verteilung von ökonomischem Besitz und der Verbrauch von Ressourcen. Doch nicht nur die ökonomischen Ressourcen und die politische Entscheidungsmacht sind ungleich verteilt; auch die Herstellung von Öffentlichkeit durch die Massenmedien wird weit gehend durch die Minderheit kontrolliert, die Geld und Macht besitzt. Diese Medienmacht drückt sich einerseits durch ein Schwergewicht in der Themensetzung (agenda setting) und in der Präsentation der eigenen Meinungen zu strittigen Fragen aus; andererseits stärkt sie den „Kulturimperialismus“, der auch durch die ökonomische Macht gefördert wird. Schliesslich werden auch die Systeme der Medizin, der Bildung und der Wissenschaft durch diese gesellschaftsweiten Ungleichheitsstrukturen geprägt und reproduzieren diese.

 

Die Differenz von Tradition und Moderne

 

Doch nicht nur in Bezug auf die Besitz- und Machtverhältnisse gibt es beachtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Weltregionen: Die immer schneller fortschreitende Modernisierung (etwa auf technologischer Ebene) verlangt auch bei uns Anpassungsleistungen, die nicht nur die einzelnen Menschen, sondern auch die politischen Entscheidungsträger bisweilen überfordern. Wenn der Zugang zu den Errungenschaften der Modernisierung einer kleinen Minderheit vorbehalten und auf wenige urbane Zentren beschränkt ist, wie dies in den weniger wohlhabenden Teilen unseres Planeten der Fall ist, dann wird die Kluft zwischen traditionellen und modernen sozialen Strukturen immens. Da die Religiosität in diesen Gebieten noch viel stärker verankert und die im westlichen Kulturraum weit gehend etablierte Trennung von Kirche und Staat nur ansatzweise vollzogen ist, profilieren sich religiöse Organisationen damit, dass sie die Menschen bei der Überbrückung dieser Kluft zwischen Tradition und Moderne unterstützen. Sie bieten ihnen Sinnofferten zur Bewältigung ihrer schwierigen wirtschaftlichen und politischen Situation an.

Wie wir wissen, sehen diese Sinnofferten unterschiedlich aus. Während Religionen wie der Hinduismus und der Buddhismus andere Religionen mit einer weit gehenden Toleranz behandeln und zudem das gegenwärtige Leiden in einem grossen Mass mit einer besseren Zukunft (in einem kommenden Leben) verbinden, ist der Islam – wie das Christentum – eine Religion mit einer kämpferischen, bisweilen militärisch-imperialistischen Geschichte. Der Islam nimmt die weltweite Ungleichheit nur teilweise als schicksalshaft oder gottgewollt gegeben hin, sondern wehrt sich gegen die Exponenten, denen er die Verantwortung für den gegenwärtigen Zustand zuschreibt. Das sind auf religiöser Ebene die „Ungläubigen“ und auf politischer Ebene die westlichen Staaten, allen voran die USA.

 

Die kommunikative Abwertung der Gegenseite

 

Neben der ungleichen Macht- und Ressourcenverteilung in fast allen relevanten Gesellschaftsbereichen kann man weitere Gründe für die terroristische Gewalt der letzten Wochen vermuten. Einer davon ist die konsequente Geringschätzung der ökonomischen, wissenschaftlichen, politischen, künstlerischen Errungenschaften anderer Kulturen durch die wohlhabenden und mächtigen Industrienationen. Diese Geringschätzung geht einher mit einer weit gehend kritiklosen Belobigung der eigenen Kultur. Diese Belobigung impliziert in der Regel, dass der Wohlstand und die kulturellen Errungenschaften wie die Demokratie, die freie Marktwirtschaft, die Pressefreiheit, die Menschenrechte etc. ausschliesslich ein Resultat der eigenen Leistungsfähigkeit, ein Resultat von Fleiss und Rechtschaffenheit seien. Machtpolitische und ökonomische Faktoren wie der Kolonialismus oder die Rolle der westlich dominierten Welthandelsorganisationen werden dabei genau so konsequent ausgeblendet wie der Umstand, dass viele der sozialen „Missstände“ in andern Teilen der Erde noch vor wenigen hundert Jahren auch bei uns gang und gäbe waren.

Auf diese Weise wird ein Bild konstruiert und über die Massenmedien verbreitet, welches die eigene Kultur als die einzig richtige, erfolgreiche und erstrebenswerte und alles andere als rückständig, kritikwürdig oder gar gefährlich darstellt. Dieses Bild prägt das Denken und Handeln in den westlichen Nationen und es verstärkt das Gefühl der Machtlosigkeit und Frustration im Rest der Welt.

 

Die Lage der Jugendlichen

 

Vergleicht man allfällige Gründe für die Jugendgewalt in der westlichen Welt mit jenen für das Aufkommen eines globalen Terrorismus, so fallen einige Parallelen auf. Zwar ist die wirtschaftliche Situation der Jugendlichen in unserem Kulturkreis nicht mit jener der so genannten Entwicklungsländer zu vergleichen. Andererseits kann die ökonomische Komponente auch bei der Beobachtung der Jugendgewalt nicht ausser Acht gelassen werden – zu gross ist die Bedeutung, die den Symbolen ökonomischer Potenz in unserer Gesellschaft im allgemeinen und in Jugendgruppen im besonderen gewidmet wird. Da kann es schon frustrierend sein, wenn man sich gewisse Bekleidungsstücke, Haarstile oder Trendartikel nicht leisten kann und deswegen als „uncool“ oder als „looser“ degradiert wird, wenn also die ökonomischen Unterschiede Einfluss auf das Gesamtbild einer Person haben.

Sicher gibt es andere und gewichtigere Gründe, die zu einer Zunahme der Gewaltanwendung von Jugendlichen führen können. Einer davon ist – und hier zeichnet sich eine deutliche Parallele zur Behandlung anderer Kulturen ab – die geringe Achtung von Kindern und Jugendlichen. Obwohl Jugendlichkeit in der modernen westlichen Gesellschaft ein zentraler Wert ist, werden Kinder und Jugendliche zumindest im deutschsprachigen Europa gerne als Störfaktoren und kaum als vollwertige Menschen wahrgenommen. So willkommen Jugendliche als Konsumenten sind, so unwillkommen ist insgesamt ihre Teilhabe in andern Gesellschaftsbereichen. Diese generelle Respektlosigkeit Kindern und Jugendlichen gegenüber lässt sich im Alltag immer wieder beobachten. Sie äussert sich gerne in einem Machtgehabe, das sich alleine auf Altersunterschiede abstützt. So werden z.B. von Jugendlichen besetzte Sitze in der Strassenbahn von Erwachsenen nicht nur beansprucht, weil sie sehr alt, körperlich behindert oder hochschwanger sind, sondern prinzipiell, etwa aus Gründen des „Anstandes“.

Solche und ähnliche Machtdemonstrationen, welche den Jugendlichen ihre Machtlosigkeit vor Augen führen und, sind zumindest teilweise mit der oben behandelten Differenz von Tradition und Moderne zu erklären. Werte sind soziale Konstruktionen, die sich im Laufe der Zeit genau so verändern, wie sich ihre Beobachtung durch die Individuen verändert. Der Wert „Respekt vor dem Alter“ heisst heute nicht mehr dasselbe wie vor 50 Jahren. Jugendliche sind heute weniger bereit, andere Menschen allein wegen ihres Alters oder ihres sozialen Status zu achten. Sie ordnen sich der für sie nicht mehr nachvollziehbaren grundsätzlichen Hierarchie von Erwachsenen und Jugendlichen nicht einfach unter, sondern erwarten ebenfalls Respekt und Wertschätzung. Erfahren sie diese nicht, reagieren sie nicht selten mit der gleichen Missachtung und Respektlosigkeit, die ihnen zuteil wird.

 

Veränderungen in der Lebenswelt der Jugendlichen

 

Die Differenz von Tradition und Moderne entfaltet sich aber auch in anderen Bereichen, welche Jugendliche ganz grundsätzlich betreffen, etwa in der Familie und der Bildung. Die Familienstrukturen haben sich in den letzten Jahrzehnten fundamental geändert. Einelternfamilien sind heute keine Ausnahme mehr, und in so genannten Normfamilien arbeiten oft beide Elternteile ausser Haus. Der zunehmende Wunsch nach ausserhäuslicher Erwerbsarbeit bei den Frauen spielt dabei genau so eine Rolle wie die fehlende Bereitschaft und Gelegenheit der Männer, das Erwerbspensum zugunsten der Familienarbeit einzuschränken. Angesichts der tiefen Einkommen in gewissen Branchen wie dem Detailhandel sind viele Eltern zudem gar nicht in der Lage, den Lebensunterhalt für sich und die Kinder mit nur einem Erwerbseinkommen zu bestreiten. Die Veränderung der Familienstrukturen verändert die Sozialisationsbedingungen der Jugendlichen grundsätzlich. Sie verbringen mehr Zeit mit Medienkonsum und die Jugendgruppe gewinnt als Orientierungspunkt für die eigene Entwicklung immer mehr an Bedeutung.

Wenn angesichts dieser gesellschaftlichen Veränderungen der Ruf nach mehr gesteuerter Sozialisation, also nach Erziehung, laut wird, und es um die Frage geht, wo diese Erziehung geleistet werden soll, dann wird in der Regel zuerst die Schule genannt. Doch auch die Schule kann sich dem gesellschaftlichen Wandel nicht entziehen. Das in der Gesellschaft verfügbare Wissen nimmt stetig zu und erfordert auch auf Schulebene Anpassungsleistungen, was sich in der Zunahme des behandelten Stoffes und in neuen Fächern niederschlägt. All das erfordert Zeit – Zeit, die nicht mehr für die geforderte Erziehungsleistung der Schule eingesetzt werden kann. Dazu kommt, dass eine breite Diskussion über die Funktion der Schule in unserem Kulturkreis bis heute nicht wirklich stattgefunden hat. Es besteht zwar Einigkeit darüber, dass die Schule nicht nur die Vorbereitung und die Vorselektion der Schüler in Hinblick auf ihren Eintritt ins Erwerbsleben hat, doch die zeitlichen und finanziellen Ressourcen zur Erfüllung ihrer Sozialisations- resp. Erziehungsfunktion werden ihr auch nicht gewährt.

 

Ausschlusstendenzen

 

Die Folge dieser Entwicklung ist, dass sich die Schule mit teilweise widersprüchlichen Forderungen aus Wirtschaft, Politik und Familie konfrontiert sieht. Da sie diese Forderungen nicht erfüllen kann, gibt sie den Druck weiter – an die Eltern und vor allem: an die schwächeren und „sozial auffälligen“ Schüler. Das Resultat dieser Überforderung sind Schuldzuweisungen auf allen Seiten – von den Lehrkräften an die Eltern, von den Eltern an die Lehrkräfte, von der Schule an die Politik, von der Wirtschaft an die Schule und von allen an die Kinder und Jugendlichen. Für diese werden Sonderklassen, Kleinklassen, heilpädagogische Begleitungen, Therapien aller Art, medikamentöse Unterstützung (Ritalin) angeboten oder Sanktionsmassnahmen wie Klassenversetzungen oder gar Schulausschlüsse verfügt. Alle diese Massnahmen – so begrüssenwert sie teilweise auch sind – haben gemeinsam, dass sie nicht integrierend, sondern ausschliessend wirken. Unter dem ständig steigenden Druck von allen Seiten werden immer mehr Kinder und Jugendliche zu Sonderfällen, da die Schule ohne ihre Aussonderung nicht mehr funktionieren würde. Für immer mehr betroffene Schüler und Schülerinnen heisst das, dass sie anders sind als die andern, dass sie nicht genügen – jetzt nicht und vielleicht auch im späteren Leben nicht.

Zusammen mit der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt (Stichwort Rationalisierung) und den entsprechenden täglichen Schreckensmeldungen wird es für die Jugendlichen immer schwieriger, hoffnungsvolle Lebensperspektiven zu entwickeln. Viele kompensieren das, indem sie sich auf die Gegenwart konzentrieren und auf die Genussmöglichkeiten, welche diese bietet. Andere wiederum lassen sich stark verunsichern und „behandeln“ diese Unsicherheit mit Suchtmitteln oder versuchen, Selbstsicherheit und Fremdachtung durch Risikoverhalten zu gewinnen. Im Grunde genommen geht es wieder um Machtlosigkeit, um die Unfähigkeit, sein Leben unter den gegebenen Bedingungen und gegen den Widerstand hinderlicher Strukturen selbständig in eine gewünschte Richtung zu lenken. Und wieder – wie beim Terrorismus – scheint diese Machtlosigkeit auch gewalttätiges Verhalten zu begünstigen – Verhalten, das die Funktion hat, wenigstens eine Illusion von Macht zu erzeugen.

 

Schuldkonstruktionen

 

Fasst man die bisherigen Ausführungen zusammen, so stehen wir vor der Situation, dass die Entwicklung der modernen Gesellschaft Ungleichheiten erzeugt – Ungleichheiten, welche die individuellen Lebensperspektiven grundsätzlich beeinflussen und zu einem Gefühl der Machtlosigkeit führen können, die sich in Gewaltakten manifestiert. Nicht dass dies ein neuartiges Phänomen wäre. Keine Gesellschaftsform war je in der Lage, das immer wieder propagierte Ideal der Gleichheit auch nur in Ansätzen zu verwirklichen. Aus diesem Grund gab es auch immer Privilegierte und Unterprivilegierte und mehr oder weniger zielgerichtete Gewaltakte, um diese Differenz aufzuheben oder besser: sie umzukehren, also in eine andere Differenz zu überführen.

An dieser Stelle bietet es sich an, eine gängige Illusion anzusprechen. Sie betrifft die Vorstellung, für die oben beschriebenen, Gewalt begünstigenden Zustände könnten klare Verantwortlichkeiten zugeschrieben werden. Die Gesellschaft ist viel zu komplex, als dass behauptet werden könnte, ein Funktionssystem, eine Organisation, eine Gruppierung oder gar eine Person sei allein für eine negativ bewertete Entwicklung verantwortlich. Natürlich werden solche Zuschreibungen immer wieder gemacht: Autofahrer oder Grüne, Kapitalisten oder Kommunisten, Liberale oder Konservative, Christen oder Muslime werden dann für bestimmte unerwünschte Zustände auf der Welt verantwortlich gemacht, wobei offensichtlich ist, dass es sich bei diesen Zuschreibungen immer um Konstruktionen handelt, die je nach Perspektive anders ausfallen.

 

Die Gesellschaft als grosses Orchester

 

Das Zusammenspiel gesellschaftlicher Kommunikationen kann metaphorisch als immenses Orchester dargestellt werden. Dieses Orchester setzt sich aus unzähligen Instrumenten zusammen, welche – alleine oder in Instrumentenverbünden – zahllose Melodien spielen, die sich in einem gewaltigen Rauschen vereinen und die weder durch einen Dirigenten noch durch einzelne Unterorchester zu einem harmonischen Klangbild vereint werden können. Der hörende Beobachter hat keine andere Möglichkeit, als sich auf ausgewählte Instrumente zu konzentrieren und deren Spiel zu verfolgen. Dabei kann er gewisse Melodien heraushören, Beeinflussungen von Instrumenten auf andere ausmachen, doch niemand gibt ihm die Gewissheit, dass andere das Gleiche hören und die gleichen Interdependenzen erkennen.

Wenn für die Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten auf dieser Welt – die Misstöne im gesellschaftlichen Orchester also – Schuldige gesucht und bezeichnet werden, so muss man sich bewusst sein, dass diese Zuordnung immer selektiv geschieht und nie alle Einflussfaktoren umschliesst. Dazu kommt, dass ein anderer Beobachter, die Töne, die der erste als Dissonanzen hört, aus seiner Perspektive durchaus aus als klangvoll und nicht störend empfinden kann.

Genau so wie man auf die Vorstellung verzichten muss, man könne eindeutige Verantwortlichkeiten für Misstöne resp. Missstände zuordnen, so muss man von

der Illusion Abschied nehmen, es gäbe einen übermächtigen (man könnte sagen: göttlichen) Dirigenten, der das gesamte Gesellschaftsorchester überblickt, richtige und falsche Töne unterscheiden kann und jedes einzelne Instrument unter seiner Kontrolle hat. Auch die Systeme der Politik oder der Wirtschaft, denen diese Funktion (je nach Credo) gerne zugeschrieben wird, können die Aufgabe als zentrale Steuerungsinstanz nicht übernehmen; auch sie sind selber nur Teil des unsteuerbaren Orchesters der Gesellschaft, spielen eigene Melodien mit eigenen Instrumenten und werden von den andern Musizierenden beeinflusst.

 

Gesellschaft als evolutionärer Prozess

 

Wenn man diese Überlegungen konsequent weiterverfolgt, liegt der Schluss nahe, dass nicht nur eine zentrale Steuerung der Gesellschaft unmöglich ist, sondern eigentlich jeder kausale Eingriff. Jede Intervention – jede neue Melodie – wird im Orchester der Gesellschaft beobachtet und führt zu Anpassungsleistungen. Instrumente werden ausgewechselt, die Lautstärke wird verändert, Melodien umgeschrieben – kurz: das ganze Orchester befindet sich in einem laufenden gegenseitigen Beobachtungs- und Anpassungsprozess. Dabei folgt jeder Musiker, jedes Unterorchester seinen selbst definierten Zielen und versucht, die Rolle zu erfüllen, die es aus seiner Sicht im Orchester einnimmt. Die Entwicklung des Orchesters beruht daher nicht auf göttlicher Vorsehung oder natürlichen Vorgaben, sie beruht auch nicht auf Vernunft oder Rationalität, ja sie hat nicht einmal ein Ziel. Die Gesellschaft ist nichts als die Summe aller Kommunikationen, aller Melodien und ihr Entwicklungsprinzip ist das Prinzip der Evolution: Auf jeder Ebene setzen sich die Kommunikationen durch, die sich bewähren, und sie setzen sich so lange durch, solange sie sich bewähren.

Geht man vom evolutionären Prinzip aller sozialen Entwicklung aus, muss man sich zwar nicht mit fatalistischer Ergebenheit darin fügen, dass ohnehin alles durch Gott oder die Natur vorbestimmt ist; man kann sich aber auch nicht auf eine übergeordnete Vernunft oder Rationalität verlassen, die dem Orchester der Gesellschaft zu einer harmonischen Klangfülle verhilft. Jeder noch so kleine Teil des Orchester musiziert nach seiner eigenen Rationalität und hat seine eigenen Vorstellungen von Harmonie. Das Prinzip der Evolution verheisst nichts anderes, als dass jeder Musiker, jedes Unterorchester, jede Melodie, jeder Ton Einfluss auf die Entwicklung des Gesamtorchesters nimmt und doch keiner dieser Einflussfaktoren für sich in Anspruch nehmen könnte, das Orchester oder einzelne Akteure alleine zu steuern.

 

Beschränkte Einflussmöglichkeiten

 

Für die folgenden Ausführungen zu möglichen Massnahmen gegen Terrorismus und Jugendgewalt gilt also die paradox anmutende Ausgangslage, dass Interventionen für die gesellschaftliche Entwicklung gleichzeitig bedeutend und bedeutungslos sind. Das heisst zum einen, dass sich die Melodien der anderen (in unserem Fall: die Gewalt) einfacher Gehör verschaffen können, wenn man selbst nicht mitmusiziert, wenn man auf Interventionen verzichtet. Zum andern darf man – auch wenn man ein noch so gewaltiges Unterorchester (wie z.B. eine Armee) zusammenstellt – nicht darauf vertrauen, dass das eigene Spiel die gewünschte Entwicklung bewirken wird, denn jeder neue Einsatz, jede neue Melodie, jede Intervention wird von den Systemen beobachtet, die sich durch eine Intervention irritieren lassen, und führt zu Anpassungen ihres Spiels, ihrer Kommunikationen und Handlungen. Dieser Voraussetzung können sich Interventionsversuche nie entziehen – nicht die politischen, nicht die ökonomischen und selbstverständlich auch nicht jene der Sozialen Arbeit und der Prävention.

Da nicht mit Bestimmtheit vorausgesehen werden kann, ob es Reaktionen auf die eigenen Interventionsversuche gibt und wie diese ausfallen, sind Intervention auch nur sehr beschränkt planbar. Sie erfordern eine laufende Beobachtung ihrer Ergebnisse und regelmässige Anpassungen, ohne dass je mit dem Erreichen eines dauerhaften „Idealzustandes“ oder eines Gleichgewichtes gerechnet werden kann.

Diese Überlegungen legen nahe, in Bezug auf das Wirkungspotenzial der eigenen Interventionen bescheidene Erwartungen zu hegen. „Lösungen“ für bestehende Probleme gibt es angesichts dieser instabilen Verhältnisse keine; es gibt immer nur Lösungsversuche, die durch Problemverlagerungen resp. neue Probleme und neue Bewältigungsversuche abgelöst werden.

 

Behandlung der Ursachen

 

Wenn man sich die Frage nach möglichen Massnahmen gegen Terrorismus und Jugendgewalt stellt, so wird man sich schnell bewusst, dass es betreffende Interventionsversuche genau so lange gibt, wie die beiden Probleme manifest sind, d.h. in der Öffentlichkeit und vor allem in den Massenmedien als Probleme beobachtet werden. Da dies bei beiden Phänomenen schon seit Jahrzehnten der Fall ist, gibt bereits eine riesige Palette von Interventionsversuchen gegen Terrorismus und Jugendgewalt. Sieht man sich diese Interventionsversuche genauer an, so wird man auf der Ebene der konkreten Massnahmen kaum Gemeinsamkeiten bemerken – zu unterschiedlich sind die beiden Phänomene in ihren praktischen Auswirkungen.

Auf einer übergeordneten Ebene lassen sich jedoch durchaus Parallelen feststellen. So fällt auf, dass bei beiden Problemen repressive – polizeiliche, militärische und juristische – Interventionsversuche dominieren. Das ist aus mindestens zwei Gründen verständlich: Erstens werden durch die Gewaltakte von Terroristen und Jugendlichen Menschen gefährdet, die geschützt werden müssen, und zweitens erbringt ein Rückgriff auf den symbiotischen Mechanismus der physischen Gewalt – das Wegsperren, das Zerstören und das Töten – ein konkretes Resultat, welches die Illusion unterstützt, dass man das gesamte Gewaltproblem mit Gegengewalt in den Griff bekommen könne. Die Vermittlung dieser Illusion selbst ist auch wieder ein kommunikativer Prozess, der unter anderem die Funktion hat, Unterstützung für die eigenen Massnahmen zu gewinnen.

Im Bereich des internationalen Terrorismus scheint sich seit den Anschlägen in den USA im politischen System jedoch (wenn auch nur ansatzweise) die Erkenntnis durchzusetzen, dass es mit dem Problemlösungsversuch „Repression“ allein nicht getan ist, ja dass dieser Problemlösungsversuch selbst zu einem Problem werden kann, wenn er nicht durch ergänzende Massnahmen begleitet wird. Im Bereich der Jugendgewalt hat sich diese Erkenntnis durch den Einfluss von Disziplinen wie der Entwicklungspsychologie oder der Pädagogik schon länger Raum verschafft, wenn auch nicht sehr viel.

Aber nicht nur die repressiven, auch die begleitenden Massnahmen zur Bewältigung der Phänomene Terrorismus und Jugendgewalt lassen sich in Hinsicht auf die grundsätzlichen Überlegungen vergleichen, auf denen sie begründet sind. Im Anschluss an die bisherigen Ausführungen können diese Prinzipien mit Begriffen wie „Ermächtigung“, „Integration“ oder „Achtung“ umschrieben werden. Die These hier ist, dass beide Probleme nur entschärft werden können, wenn repressive Massnahmen durch solche ergänzt werden, welche die Ursachen dieser Phänomene – die Machtlosigkeit, die Ausgrenzung und die Geringschätzung – behandeln, also im eigentlichen Sinn präventiv wirken.

 

Widerstände

 

Konkretisiert man diese Überlegungen, so scheint es in Bezug auf den Terrorismus unabdingbar, dass die benachteiligten Regionen dieser Welt nachhaltiger in die gesellschaftlichen Funktionssysteme eingebunden werden – insbesondere (aber nicht nur) in die Systeme der Wirtschaft und der Politik. Man weiss, wie schwierig das ist und welche Konsequenzen das für die wohlhabenden Regionen haben kann. Aber nur mit dieser Einbindung, kann sich eine demokratische Staatsform etablieren und die Beachtung der Menschenrechte zunehmen; nur mit dieser Einbindung wird sich zudem die gegenseitige Wertschätzung der Kulturen verbessern.

Weil Massnahmen im Bereich Jugendgewalt kleinräumiger konzipiert werden können als beim Terrorismus, kann hier ein wenig konkreter formuliert werden, wie die Ermächtigung, Integration und Achtung verbessert werden könnte. Andererseits sieht man sich in diesem Bereich mit der Paradoxie konfrontiert, dass Jugendliche in der Pubertät zwar Integration und Anerkennung benötigen, sich gleichzeitig aber auch abgrenzen wollen und dafür Raum brauchen. Angesichts der Komplexität des Unterfangens darf man sich auch hier keine Illusionen über das Verhältnis von Aufwand und Ertrag machen. Schnelle „Lösungen“ gibt es wie beim Terrorismus keine, so sehr sich die Politik und die Öffentlichkeit das auch wünschen mag. Grundsätzlich lässt sich – wieder für beide Phänomene – der Gedanke formulieren, dass tief greifende Massnahmen mehr Erfolg versprechen als oberflächliche, dass sie aber auch mit weit mehr Widerständen zu rechnen haben. Ein Interventionsversuch in ein soziales System wie eine Gemeinde oder eine Schule kann nur erfolgreich sein, wenn das System zum Zeitpunkt des Versuches bereit ist, sich davon irritieren zu lassen. Ist dies nicht der Fall, so wird der Versuch an systeminternen Widerständen scheitern. Die Gefahr, dass er dies tut, steigt mit der Komplexität des Systems und mit dem Umfang der angestrebten Veränderung. In dieser Hinsicht ist es oft ratsamer, zuerst kleine Interventionsversuche zu planen und diese so gut wie möglich miteinander zu koordinieren und zu vernetzen.

 

Zusammenspiel von repressiven und unterstützenden Massnahmen

 

Schliesslich gibt es eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den Interventionsbereichen Jugendgewalt und Terrorismus: bei beiden kann nicht auf den Einsatz repressiver Mittel verzichtet werden. Vor allem – aber nicht nur – in der Behandlung und Prävention von Jugendgewalt kann viel gewonnen werden, wenn die polizeilichen und gerichtlichen Interventionen gut mit den sozialarbeiterischen, pädagogischen, soziokulturellen und anderen stützenden Massnahmen vernetzt werden. Das kann zu Synergien, zu einer wechselseitigen Ergänzung und Aufwertung führen. Aus Gründen der Transparenz und der Erwartbarkeit sollte jedoch darauf geachtet werden, dass die unterschiedlichen Rollen nicht vermischt werden.

Will man hochkomplexe Phänomene wie Terrorismus und Jugendgewalt auch nur annähernd „in den Griff“ bekommen, so erfordert dies von allen Beteiligten viel Ausdauer, langfristiges Denken, die Bereitschaft zum Treffen von unpopulären Entscheidungen, ein grosses Mass an Vernetzungs- und Koordinationskompetenz. Diese Fähigkeiten sind nicht überall ausreichend ausgebildet und angesichts der Kurzfristigkeit politischer Ämter und dem Wettbewerb auf dem Markt „sozialer“ Angebote nicht selbstverständlich. Das wiederum ist kein Grund, die entsprechenden Bemühungen nicht an die Hand zu nehmen und zu versuchen, das Unwahrscheinliche wahrscheinlicher zu machen.

 


[1] Die zugrunde liegende Theorie ist die Systemtheorie nach Niklas Luhmann. Vgl. dazu das Grundlagenwerk: Luhmann, Niklas, 1984: Soziale Systeme – Grundriss einer allgemeinen Theorie. Frankfurt.

[2] Luhmann, Niklas, 1975: Macht. 2. durchgesehene Auflage. Stuttgart